Notz Stucki Broadcasted Investment Konferenz – 12 Januar 2021
2020 war sowohl für die Weltwirtschaft als auch für die Finanzmärkte ein sehr aussergewöhnliches Jahr. Nach dem möglicherweise stärksten kurzfristigen Konjunktureinbruch aller Zeiten legten Regierungen und Zentralbanken historisch beispiellose Stimulierungspakete auf, um die staatlich verordneten Lockdowns abzufedern. Diese Konjunkturprogramme gingen weit über das Mass hinaus, das vor einem Jahr denkbar gewesen wäre, und wurden im Verlauf der Krise immer grösser. Auf der Konferenz wurde erörtert, welche Auswirkungen diese Massnahmen mittel- und langfristig haben könnten.
Der plötzliche Einbruch der Wirtschaftstätigkeit im vergangenen Jahr war beispiellos, löste jedoch ebenso beispiellose fiskalpolitische Reaktionen aus. Insofern kann die Geschichte kaum als Massstab für die künftige Entwicklung dienen – es lassen sich einfach keine früheren Beispiele finden, mit denen sich die aktuelle Situation vergleichen lässt. Aufgrund der Covid-Pandemie befindet sich die Welt seit März praktisch im Stillstand, da grosse Teile der Wirtschaft per Gesetz an einer normalen Aktivität gehindert werden. Seitdem liegt die Weltwirtschaft am Boden, doch die Aktienmärkte durchschritten die Talsohle bereits am 23. März, nur drei Wochen nach Beginn der Krise. Die Kurse stiegen zunächst aufgrund der enormen Stimulierungsmassnahmen, doch später auch dank der wachsenden Hoffnung der Anleger auf mittel- bis langfristig bessere Aussichten. Diese beiden gewaltigen Kräfte – der Konjunktureinbruch und die Liquiditätsflut – ziehen die Märkte in entgegengesetzte Richtungen. Das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Impulsen wird sich im Laufe der Zeit verändern. Derzeit befinden wir uns in einer wichtigen Übergangsphase, da die Verfügbarkeit mehrerer Impfstoffe eine langsame Rückkehr zur Normalität ermöglicht und die Lockdowns schrittweise aufgehoben werden.
In der nächsten Phase besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Konjunktureinbruch durch die umfangreichen Stützungsmassnahmen allmählich überwunden wird. Auch die Gesundheitssituation wird sich dank der Impfstoffe in Kürze bessern. Zudem macht sich die Ankündigung von Konjunkturprogrammen stets erst mit einer gewissen Verzögerung in der Wirtschaft bemerkbar. Diese Zeitdifferenz beträgt normalerweise etwa sechs bis neun Monate, doch diesmal dürften ein bis zwei Jahre vergehen, da sich die Rückkehr zu einer normalen Geschäftstätigkeit durch die staatlichen Einschränkungen verzögert. Die verschiedenen Konjunkturpakete werden daher erst im Sommer vollständig wirksam werden, und es ist sehr wahrscheinlich, dass sich das Wachstum 2021 deutlich erholt. Dieser Boom dürfte in den nächsten zwei bis drei Jahren anhalten. Der Markt hat diese Entwicklung vorweggenommen – die umfangreichen Konjunkturmassnahmen und die ausdrücklichen Zusagen der Zentralbanken, an ihrer lockeren Geldpolitik mehrere Jahre lang festzuhalten, führten zu ausserordentlich raschen Kurszuwächsen. Die Bedingungen für eine Fortsetzung dieser Hausse sind äusserst günstig. Neben der aktuellen Fiskal- und Geldpolitik wird das Wachstum seit letztem Jahr durch zwei weitere Faktoren unterstützt. Zum einen hat sich die EU endlich auf eine einheitliche Fiskalpolitik geeinigt, wodurch sich das Risiko einer weiteren Krise in Europa erheblich verringert hat. Zum anderen hat Asien die Krise – mit Blick auf den Schutz der Wirtschaft und des Gesundheitswesens – weit besser bewältigt als der Westen. Daher dürfte es der Region gelingen, weiter kräftig zu wachsen, auch wenn die Konjunktur in den USA und Europa verhalten bleibt. Die dynamischeren Volkswirtschaften Asiens koppeln sich möglicherweise vom Westen ab, bieten dem Wachstum der Weltwirtschaft jedoch in jedem Fall erhebliche Unterstützung. Diese Faktoren schaffen ideale Bedingungen für eine Blasenbildung am Aktienmarkt, und in bestimmten Bereichen sind solche Blasen zweifellos bereits entstanden – einige Segmente des US-Technologiesektors sind dafür das offensichtlichste Beispiel. Blasen platzen irgendwann, doch der genaue Zeitpunkt dafür lässt sich unmöglich vorhersagen. Zudem haben sie die Tendenz, weit über das vorstellbare Niveau hinaus zu wachsen. Anleger müssen sich dessen bewusst sein, doch es gibt viele andere Marktbereiche, die künftig gut abschneiden könnten.
Mit Blick auf die Zukunft müssen Investoren beginnen, einige Konsequenzen zu berücksichtigen. Die erste ist die Inflation. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die massive Geldschöpfung und die hohen Staatsausgaben zu Inflation führen werden. Es kann als nahezu sicher gelten, dass die Inflation in den nächsten zehn Jahren über dem Niveau der letzten vier Jahrzehnte liegen wird. Die Inflation wird durch eine Reihe von strukturellen Kräften in die Höhe getrieben. Dazu zählen die Abschwächung der Globalisierung, die expansive Fiskal- und Geldpolitik, der Wandel der Technologie von einer disruptiven Kraft zu einer Ursache für Monopolbildung, der zunehmende Fokus der Politik auf arbeitnehmerfreundliche Positionen, die steigende Löhne zur Folge haben, und die demografische Entwicklung. Die in den letzten Jahren aufgetürmten Schuldenberge machen die Inflation auch für Regierungen interessant, da hohe Inflationsraten in der Vergangenheit stets als bevorzugtes Mittel zur Rückzahlung von Schulden dienten. Damit stellt sich die Frage: Wie schnell kehrt die Inflation zurück? Wenn sich die Inflationsrate in den nächsten Jahren rasch auf 4–5% erhöht, wird sich dies auf die Finanzmärkte und die soziale Stabilität sehr negativ auswirken. Steigt sie hingegen nur allmählich an, könnte sich Keynes’ «Goldenes Zeitalter» wiederholen, das den Zeitraum von Ende der 1940er-Jahre bis Mitte der 1960er-Jahre umfasste und von einem starken Wirtschaftswachstum und hohen Beschäftigungsquoten geprägt war. Dieses Szenario ist plausibel, weil nach dem Ende der Covid-Krise derart grosse Produktionslücken bestehen, dass kaum erkennbar ist, wie Inflation entstehen soll. Daher ist sehr wahrscheinlich, dass künftig ein starkes Wirtschaftswachstum in Verbindung mit einer kontrollierten Inflation entsteht. Diese Phase könnte mindestens zehn Jahre dauern. Erstaunlich ist, dass sich derzeit viele Kommentatoren sehr besorgt über die Inflation äussern, aber kaum die Möglichkeit betrachten, dass eine langfristige Expansion bevorsteht. Die Finanzmärkte hingegen scheinen von der Inflation völlig unbeeindruckt zu sein, preisen ein längerfristiges Wachstum jedoch allmählich ein.
Die nächsten neun bis zwölf Monate werden eine entscheidende Phase bilden. Wenn das Wachstum zurückkehrt und die Inflation nicht drastisch ansteigt, wird sich an den Finanzmärkten die Einschätzung durchsetzen, dass ein von niedrigen Inflationsraten geprägter Aufschwung bevorsteht. Es gibt zahlreiche Themen, die die Märkte in Begeisterung versetzen können, etwa die Revolutionen im Energie- und im Transportsektor. Insgesamt könnte sich der Fokus der Märkte stärker nach Osten richten, da die Länder Asiens rascher zur Normalität zurückkehren als der Westen. Angesichts der Liquiditätsschwemme und der umfassenden Konjunkturmassnahmen könnten die Bewertungen deutlich höhere Niveaus erreichen als in der Vergangenheit, da die Kurs-Gewinn-Verhältnisse steigen. Die grösste Gefahr für diesen Ausblick ist die Inflation. Wenn es Anzeichen für einen deutlichen Anstieg der Inflationsraten gibt, würde dies eine Ära beenden, die bis Anfang der 1980er-Jahre zurückreicht. Mehrere Jahrzehnte lang stützte sich die Bewertung von Anleihen und Aktien auf die Annahme relativ stabiler Preise. Deutliche Preiserhöhungen würden dieses Szenario völlig verändern, doch in den nächsten Monaten sollten die Märkte die Kombination aus der reichlich vorhandenen Liquidität und der Erholung der Wirtschaft geniessen.
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